Einigung über Gesetz über Digitale Dienste (DSA)
In der Nacht auf Samstag, den 16.04.22, haben sich das Europäische Parlament und die EU-Staaten auf einen Kompromiss zum Gesetz über Digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) geeinigt. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist die Festlegung von Regeln für das Internet, um „alles, was offline illegal ist, auch online illegal zu machen“ – gleich ob Hassrede, Terrorpropaganda oder auch der Verkauf von gefälschten Produkten. Das Gesetz ist im Zusammenhang mit dem Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA), das auf die Schaffung eines fairen Wettbewerbs zielt, zu sehen. Zwar muss der DSA noch vom Plenum des EP und dem Ministerrat, dem Gremium der Mitgliedsstaaten, angenommen werden. Dies gilt aber als Formsache.
Wer ist betroffen?
Unmittelbar betroffen vom neuen Gesetz werden Online-Vermittlungsdienste sein. Darunter fallen:
- Vermittlungsdienste, die über ein Infrastruktur-Netz verfügen: Internetzugangsanbieter, Domänennamen-Registrierstellen;
- Hosting-Dienste wie Cloud-Computing und Webhosting;
- sehr große Online-Suchmaschinen mit mehr als 10 % der 450 Millionen Verbraucher in der EU und damit mehr Verantwortung für die Eindämmung illegaler Online-Inhalte;
- Online-Plattformen, die Verkäufer und Verbraucher zusammenbringen, wie Online-Marktplätze, App-Stores, Plattformen der kollaborativen Wirtschaft und Plattformen sozialer Medien;
- sehr große Online-Plattformen mit einer Reichweite von mehr als 10 % der 450 Millionen Verbraucher in der EU, was besondere Risiken für die Verbreitung illegaler Inhalte und gesellschaftliche Schäden mit sich bringen könnte.
Nichtsdestotrotz sollten sich auch Werbetreibende und Vermittler aufgrund der möglichen gemeinsamen Verantwortung mit den Betreibern mit den neuen Regelungen auseinandersetzen. Die neue Regelung enthält auch Einschränkungen für Online-Werbung und Regelungen für Cookies.
Was sind die Pflichten für die Betreiber dieser Dienste?
Den Betreibern solcher Dienste wird eine Vielzahl an Pflichten auferlegt. Ziel dieser Pflichten ist u.a. die Begrenzung von Hass, Hetze und Desinformation, womit Teile des NetzDG abgelöst werden dürften. Auch soll größere Transparenz durch Pflichten zur (Teil-)Offenlegung von Algorithmen großer Plattformen geschaffen werden.
Andere Regelungen, die insbesondere in Richtung des Verbraucherschutzes zielen, haben aber auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten von Online-Werbung. So ist ein vollständiges Verbot von gezielter Werbung erfreulicherweise nicht zustande gekommen. Allerdings sieht der nun verhandelte DSA ein Verbot von personalisierter Werbung auf Grundlage von Daten Minderjähriger bzw. die Ausspielung personalisierter Werbung an Minderjährige vor. Jedoch ist hier noch unklar, wie weit dieses Verbot tatsächlich reicht bzw. inwieweit die Betreiber auch in die Pflicht genommen werden können, eine Altersverifikation tatsächlich durchzuführen.
Klar dagegen ist, dass auf sensiblen Daten, wie bspw. Gesundheitsdaten oder der sexuellen Orientierung beruhende personalisierte Werbung, verboten sein wird. Sollten aktuell solche Daten verwendet werden, so ist dies spätestens bis zum Zeitpunkt der Anwendung des DSA zu ändern.
Bedeutende Regelung im Bereich der Cookie-Banner
Eine bedeutende Regelung enthält der DSA für die Ausgestaltung von Cookie-Banner. Diese dürfen nicht irreführend sein, bspw. mittels optischer Hervorhebung einer Möglichkeit (sog. Dark Patterns). Auch hier ist jedoch der genaue Wortlaut noch nicht bekannt, weshalb zur Reichweite dieses Verbots z.Zt. unterschiedliche Darstellungen existieren. Auf Websites soll nach verweigerter Zustimmung des Nutzers nicht nochmal um dessen Zustimmung gebeten werden dürfen. Durch die Regelungen werden damit auf EU-Ebene einheitliche Standards geschaffen (und der ePrivacyVO vorgegriffen).
Klarstellungen enthält der DSA bzgl. der Geschäftsbedingungen, die klar und in einfacher Sprache verfügbar sein müssen. Zudem enthält das Gesetz ebenso wie die DSGVO einen risikobasierten Ansatz, etwa bei der Verpflichtung zur Ergreifung von Maßnahmen gegen Missbrauch der Systeme.
Zur Rückverfolgbarkeit gewerblicher Nutzer auf Online-Marktplätzen müssen Online-Plattform-Betreiber (mit Ausnahme kleinerer Plattformen) Informationen über die Händler haben, die auf ihren Seiten Produkte oder Dienstleistungen anbieten.
Auch die Pflicht zum Anlegen von Werbedatenbanken durch große Online-Dienste ist offenbar vorgesehen. Bedeutend könnte auch werden, dass Nutzer die Möglichkeit haben müssen, Dienste ohne Profiling zu nutzen. Für eine abschließende Bewertung muss aber erst der finale Text der Regelung vorliegen.
Unser Fazit: Teils umfassender Handlungsbedarf und bedeutende Effekte auf die Werbebranche
Der DSA soll im kommenden Jahr in Kraft treten. Mit einer Anwendungspflicht wird wegen der an verschiedenen Stellen des Gesetzes vorgesehenen Übergangsfristen Anfang 2024 gerechnet.
Ein abschließendes Urteil über den Umsetzungsbedarf ist noch nicht möglich, da der finale Gesetzestext noch nicht vorliegt. Für große Online-Anbieter erwächst aus der Neuregelung teils umfassender Handlungsbedarf; für kleinere Unternehmen hält sich dieser, nicht zuletzt wegen des gestuften Systems des DSA, in Grenzen. Insbesondere die Begrenzung des Trackings mittels Daten Minderjähriger und Daten besonderer Kategorien iSv. Art. 9 DSGVO dürfte jedoch Auswirkungen auf die Werbebranche haben, die nicht zu unterschätzen sind. Weiterhin soll nach der Regelung eine Webseite auch ohne Profiling genutzt werden können. Die Regelung sieht – vergleichbar der DSGVO – empfindliche Geldbußen vor. Über weitere Einzelheiten werden wir berichten, sobald wir die genaue Ausgestaltung der Regelungen bewerten konnten.
Weiterführende Links:
PM des EP:
PM der KOM:
PM des Rates: